Viele scheuen sich vor deutschen Filmen, die in die Kinos kommen. Oftmals zu Recht. Wenn nicht gerade Teenie-Star und Frauenliebling Matthias Schweighöfer als Frauen- und Beziehungsversther ausgibt oder ein Till Schweiger versucht der beste Vater und Ehemann der Welt zu sein, haben deutsche (Kino-)Filme oft Probleme richtige Blockbuster zu werden. Ein gutes Beispiel könnte dafür "Schutzengel" mit Moritz Bleibtreu, Axel Stein und Till Schweiger. Ok - viele sagen, der Film wurde auch unter der Hand von Schweiger selbst gedreht und geführt, das konnte ja nichts werden. Andererseits muss auch die Schauspieler mögen - aber dennoch haben deutsche Filme selbst hohe Erwartungen und werden teilweise überbewertet.
Kommen wir aber zum eigentlichen Thema. "Stereo". Ein Film von Maximillian Erlenwein und mit der Besetzung Jürgen Vogel (u.a. Die Welle, Wo ist Fred?) und Moritz Bleibtreu (Das Experiment, Lola rennt, Nicht mein Tag, World War Z) lief als Sneak - nicht Snake.. - Preview im Thega - dafür schon einmal herzlichen Dank, dass nicht wie angekündigt "Tinkerbell" gezeigt wurde.
"Der Film ist wie ein Trip für mich", sagte Jürgen Vogel im NDR Interview Anfang Februar und so fühlt sich der Film auch tatsächlich an. Eine Mischung aus Shutter Island, das Experiment und The Ring kam während des Schauens auf. Eine genaue Zuordnung konnte ich auch nach dem Film nicht treffen. Zu sehr war ich von dem Film geflasht. Ein Thriller - so heißt es es in der Beschreibung - war es in jedem Fall. Von Anfang bis Ende war immer ein flaues Gefühl in der Magengegend. Ich versuchte mich mit aller Gewalt in den Film hineinzudenken. Hunderte Filmszenen schossen mir durch den Kopf und immer wieder die Fragen: Wo geht dieser Film hin? Welche Richtung schlägt er ei? Wie geht der Film aus?
Irgendwann lies ich los. Ich begann mich dem Film hinzugeben und bemerkte, dass ich tatsichlich "wie auf einem Trip" befinde. Grandioses Kino von Anfang bis Ende. Besondere, tiefe Atmosphäre machten den Film "amerikanisch" - ja hollywoodartig. Die schauspielerische Leistung war unfassbar gut und mit "Die Welle" die wohl beste Darstellung von Jürgen Vogel auf der Leinwand. Auch für alle die Jürgen Vogel nicht mögen - dieser Film wird euch umstimmen - garantiert. Das Gleiche gilt für Moritz Bleibtreu. Nach "Nicht mein Tag" der nächste Film, wo Moritz Bleibtreu eine eher ungewohnte Rolle spielt - im Vergleich zu Schutzengel und Das Experiment. Für alle "Hater" deutscher Filme kann ich nur sagen - wer sich den Film entgehen lässt, ist selber schuld.
Der Inhalt - SPOILERGEFAHR
Worum geht es eigentlich? Ich habe zunächst versucht so wenig vom Film zu verraten wie möglich, damit ich jetzt um so mehr schreiben kann. Thematisch geht es darum, dass sich Erik (Jürgen Vogel) in eine neue Frau verliebt hat und ein neues Leben angefangen hat. Er betreibt eine Motorradwerkstatt und kümmert sich fürsorglich um die Tochter seiner Freundin. Nach und nach treten Personen auf, die angeben ihn zu kennen, unter anderem auch Henry, der anfängt ihn zu verfolgen. Damit steigt im Film auch die Dramatik und Spannung. Alles nur ein Alptraum? Der Film an sich verfolgt eine ganz klarer Linie - im Nachhinein. Der Zuschauer wird jedoch bis zum Ende im Dunkeln gelassen. Und genau das macht den Film so unterhaltsam und fesselnd zugleich. Ohne zu viel zu verraten, aber der Titel wurde ebenfalls perfekt gewählt. Viel interessanter sind beim Schauen des Films aber die Fragen: Ist es Real oder doch nur ein Traum? Ist es gar Sience-Fiktion? Auch diese Punkte bleiben bis zum Ende ungeklärt.
Ich saß im Kino, ohne den Trailer dazu vorher gesehen zu haben. Oftmals ist dies ganz gut, manchmal aber ist man so ratlos im Kino, dass man vom Denken Kopfschmerzen bekommt, weil man selbst sich einfach nicht hineinversetzen kann. Bei solchen Filmen hat man ja oft die Gefahr, dass man den Zuschauer vom ganzen herumführen und den ganzen sinnlos erscheinen Szenen noch während des Films verliert. Daher ist an dieser Stelle der Tipp gegeben: Einfach auf sich zukommen lassen und wirken lassen - der Rest passiert von selbst.
Wie ich bereits gesagt habe, leisteten beide Hauptdarsteller eine unfassbar starke Leistung ab. Von völlig freien und zweifellos vulgären Dialogen bis zum harten und angsteinflössenden Psycho-Verhalten ist alles dabei. Aus diesem Grund ist es auch kein Wunder, dass der Film ab 16 ist - und das auch zu Recht. Wer den Film gesehen hat mag sagen, "ok, die paar nackten Frauen hätte man aus rausschneiden können und die Dialoge etwas verändern können", aber dann hat der Film viel von seinem Flair verloren. Ich will nicht sagen, dass der Film von den Dialogen und nackten Frauen lebt - aber ohne diese zwei Faktoren fehlt dem ein wichtiges Element - der Glaubwürdigkeit. Solch ein Psycho-Thriller basiert darauf, dass alles und jeden psychisch krank dargestellt wird und dazu gehören eben auch diese Elemente.
Trotz aller Film-Genialität und großer Schauspielkunst, fehlte dem Film am Ende doch etwas Aufklärung. Die einen sagen Interpretationsfreiheit, die anderen sagen zu viel wirres Zeug was am Ende nicht aufgeklärt wird. Sicherlich wird am Ende nicht hundertprozentig aufgeklärt was im vorherigen Leben von Erik passiert ist - im Grunde spielt dies für den Film und vor allem für das Ende keine große Rolle.
Das Ende ist ebenso konsequent wie auch logisch gemacht. Ein anderes Ende hätte den Film unglaubwürdig gemacht. Dem Zuschauer bleibt am Ende aber die Qual der Wahl: Ist es ein Happy End oder nicht? Ist Jürgen Vogel jetzt ein (tragischer) Held oder nur ein Opfer der Handlung?
Letztendlich stellt sich dann nur die Frage: War alles nur ein Traum?
Fazit:
Zweifellos einer der besten deutschen Produktionen für die Leinwand seit langer Zeit. Sicherlich waren da Kokowäh, KeinOhrMitUndOhneKüken und die Schweighöfer-Filme. Alle aber irgendwo gleich, voraussehbar, klares Ende und sehr künstliche, teils unglaubwürdige Dramatik und Komik. Alles gute und sehenswerte Filme, aber eben keine BLOCKBUSTER und das ist in meinen Augen "Stereo" in jedem Fall. Natürlich fehlt oder erwartet man mehr Action, aber die Tiefe, das Mitfühlen des Charakters und das Ende, dass den Zuschauer spaltet, machen diesen Film zu einem der "Must-See-der-deutschen-Filme".
Pro:
- schauspielerische Leistung
- Gänsehaut-Atmosphäre
- Hollywood-Flair
- der nicht zu sehende rote Faden
- Dialoge
- Mehr Dolby 5.1 als Stereo
Kontra:
- wenig Action
- zu schnelles, teils unglaubwürdiges Ende
- Wenig Details zu den mitwirkenden Charakteren
Der Trailer